Jakobsweg
Kirchenlose Religion
Die Kirchen leer, der Jakobsweg voll. "Ich bin dann mal weg!" ... aus der Kirche. Es ist schon erstaunlich, dass eine immer größere Schar Glaubender auf dem Jakobsweg das sucht, was die Kirchen nicht (mehr) bieten. Möglicherweise hat Kerkeling dem Jakobsweg den Hype beschert, den Messner den Bergen verpasste, aber das Phänomen ist schon faszinierend. Tausende verzichten auf jeglichen gewohnten Luxus und nehmen den beschwerlichen Weg nach Santiago de Compostela (zu deutsch: Grab des Sankt Jakob) auf sich, um Spiritualität zu erfahren, oder sich selbst mal kennen zu lernen. Also das, was bleibt, wenn alles Berufliche und Pseudowichtige von einem abfällt.
Die Kirchen jedenfalls sind ratlos und ringen um Erklärungen, ziehen sich dabei immer weiter in ein zunehmend vorkonziliares Schneckenhaus zurück und bejammern den Untergang. Ja, wer will denn heute schon Atomphysik studieren, wenn keine Kernkraftwerke mehr gebaut werden? Wer will einen Beruf erlernen, der sich dem Jetzt verweigert? Und die wenigen, die es trotzdem tun, passen so wenig in die Zeit, wie die Kirche selbst. Vielleicht ist es das Tempo, mit dem sich alles ändert. Ein Tempo, das schon viel Mut verlangt und Aufgeschlossenheit. Wer sich dem Computer verweigert, der verweigert sich zunehmend der Gesellschaft und ist von Vereinsamung bedroht. Die Kirche verweigert sich so ziemlich allem und vertraut auf ihre 2000-jährige Geschichte und dass man diesen Boom am besten aussitzt.