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Hinterfotzing

Die Angst

Fünf Hühner und ein Hahn, das ist der stolze Zuwachs unseres Hausstandes. Natürlich geht es dabei in aller erster Linie um Nahrungsmittel. Ein Zeichen gegen die Massenproduktion. Gegen Milchschwemmen und Eierskandale. Letztlich gegen den Wahn der Betriebswirtschaftlichkeit, dem immer mehr Lebensbereiche unterworfen werden. Betriebswirtschaftlich betrachtet amortisiert sich unser Hühnerstall vermutlich nach dem Jahr 2070 und das nur bei optimistischer Einschätzung. So gesehen ist unser Hühnerstall ein Aufbegehren gegen die allgegenwärtige Renditejagd, ein gackernder Protest. Als wir unser Federvieh mit stolzgeschwellter Brust im frisch fertiggestellten Luxusappartement einquartierten, rechneten wir mit überwältigtem Staunen oder mit erfreutem Gackern, vielleicht sogar mit einem impulsiven Freudenkikerikie des Hahns, aber nicht mit angstvollem Zusammenrotten im letzten und dunkelsten Winkel des Hühneretablissements. Ja was haben wir uns denn da für Federvieh eingefangen? Wovor muss man bei uns Angst haben? Aber so ein kleines Hühnerhirn wird halt zunächst einmal vor allem neuen Angst haben. Angst als Schutz vor neuem, denn neues könnte zunächst erst mal gefährlich sein und das muss man erst einmal klären. Also zusammenrotten und eine möglichst kleine Angriffsfläche bieten. Mittlerweile werden sie zutraulicher. Jedoch Ei gab es noch keines, dafür jede Menge vertilgtes Futter. Natürlich genfrei, denn wir wollen schließlich genießbare und bekömmliche Eier ernten. Dieser kleine Hirnteil, der für Angst zuständig ist, der muss bei uns Menschen auch vorhanden sein. Denn wir haben ebenfalls ständig Angst und dem Neuen begegnen wir ebenso mit sehr viel Vorsicht. Wenn sich also ein Flüchtling auf die Reise macht, dann ist die Angst sein ständiger Begleiter. Aber auch die Eingesessenen, zu denen er kommt haben Angst, denn was weiß man schon, zu was so ein Flüchtling fähig ist. Das denkt sich natürlich auch der Flüchtling. Er wird sicher gehört haben, dass wir in Europa männliche Küken schreddern. Wer zu so was in der Lage ist, was macht der noch? Immerhin haben sogar die Gerichte in Europa keine Einwände gegen Kükenschreddern. Da ist es durchaus verständlich, dass die neuen mit viel Angst nach Europa kommen. Aber sie wissen natürlich nicht, dass es einen sehr großen Unterschied zwischen Lebewesen gibt. Ein männliches Küken ist eben nur ein männliches Küken und welche Rechte hat ein männliches Küken? Natürlich gar keine. Es ist eine Sache und außerdem nutzlos. Nutzloses darf man schreddern. Da muss man keine Angst haben, zur Verantwortung gezogen zu werden. Aber wenn du als männliches Küken in Europa zur Welt kommst, ist Angst sehr berechtigt. Und weil so ein Flüchtling halt noch sehr wenig über uns weiß, außer dass wir männliche Küken schreddern, ist Angst schon verständlich. Dass wir vor den Flüchtlingen Angst haben, das hängt nun wieder mit dem Angstfaktor im Hühnerhirn zusammen, also mit der Angst überhaupt. Schließlich kann so ein Flüchtling ja alles Mögliche mit sich bringen, vielleicht sogar eine Krankheit einschleppen. Das ist natürlich absolut archaisch, denn wenn du heute als neue Krankheit ein wenig in der Welt herumkommen willst, dann nimmst du doch keinen Flüchtling als Transportmittel, so viel Hirn musst du als Krankheit schon haben, dass du die Vorteile des weltweiten Lufttourismus nützen kannst. Wer vor der möglichen Ansteckungsgefahr durch einen Flüchtling Angst hat, der muss in einem Flughafen Panikattacken bekommen. Nein, das ist einfach diese angeborene hühnerhafte Urangst vor dem Unbekannten. Aber siehst du, während die Flüchtlinge Angst vor unserem fremden Land haben und die Eingeborenen Angst vor den Flüchtlingen, haben die Kommunalpolitiker Angst, dass der Flüchtlingsstrom so weit abebbt, dass die Medien das Interesse verlieren und die Kamerascheinwerfer nicht mehr auf sie leuchten. So haben die einen Angst zu kommen, die anderen Angst vor den Kommenden und die Politiker Angst vor dramatischen Rückgängen der Flüchtlingsströme und der unerträglichen Rückkehr in die Unwichtigkeit des ländlichen Nichts. Welche Angst ist nun die richtige?