Facebook ist kein Faithbook
Glaub nicht alles, was du liest
Heute schon gepostet? Oder führst du ein entschleunigtes Leben, das eventuell sogar außerhalb des Handy-Displays stattfindet. Hast du eventuell gar kein Bedürfnis, dein nicht vorhandenes Bedürfnis mitzuteilen. Mitteilen, dass man nichts mitzuteilen hat und wenn doch, es nicht mitteilen will. Praktisch dem sozialen Netzwerk deine momentane Gefühlslage vorzuenthalten. Ja, wo gibt's denn so was. Aber interessant wäre es schon, wenn man mal allen Facebook-Freunden postet, dass es einem scheiße geht und sie doch ein paar Euro auf das Konto 0815 bei der Monsterbank einzahlen sollen. Alternativ mit einem großen Stück Schmandkuchen bei dir auftauchen könnten und alles Unerledigte auf dem Schreibtisch erledigen dürfen. Aber Facebook-Freunde sind halt Facebook-Freunde. Das bleibt im System und dringt nicht ins Leben ein. Eigentlich ist Facebook sowas wie der Speekerscorner im Hidepark. Jeder postet wild darauf los und wenn das Leben gerade mal nichts besonderes her gibt, dann muss halt das Unbesondere herhalten. Zur Not das Foto von irgend einem Köter, dessen triefende Lefzen man am liebsten vom Bildschirm wischen möchte. Ein Tag ohne Post ist ein ungelebter Tag, zumindest könnten die Facebook-Freunde diesen Schluss ziehen.
Manche Posts triefen nur so von strahlend weiß übertünchter Langeweile. Warum darf es auf einer Kreuzfahrt mit tausenden Seemeilen in jede Richtung nicht langweilig sein. Natürlich ist das langweilig. Aber ein Blick auf die Buchungsrechnung verbietet jegliche Langeweile und verpflichtet zum Dauerglück. Immerhin Kreuzfahrt und langersehnt und extra mit Balkon, aber tausend Seemeilen geben halt am Nachmittag des ersten Tages nicht mehr her, als den Blick auf Leere und deshalb bieten die auf solchen Pötten alles mögliche an, um diese Langeweile zu vertuschen. Warum ist eigentlich Langeweile so negativ geworden. Ist doch schön, wenn die Weile lang ist. Aber das widerspricht unserer Selbstorganisation. Wenn schon Langeweile, dann höchstens Yoga oder eine andere dieser asiatischen maximalentspannenden Import-langeweilen. Dann hat man zumindest dafür bezahlt und die Langeweile finanziell wertvoller gemacht. Überhaupt ist alles, was Geld kostet automatisch wertvoller. Der Wellness-Nachmittag viel wertvoller, als ein Lesenachmittag auf der Hausbank. Die Stunde im Fitnessstudio extrem höherwertiger als eine Wanderung. Vielleicht sollten die Kirchen gesalzene Eintrittsgelder verlangen, damit sie wieder attraktiv werden. Powergoding und Relaxchurching.
Aber hält der Mensch den Dauerstress aus? Kommt das Hirn, das die Dunkelstunden auf Traumstatus schaltet mit der Dauerbefeuerung klar? Aber heutzutage muss man ja ohne Burnout schon fast Komplexe bekommen, weil man sich nicht aktiv genug am Leben beteiligt. Aha, schon wieder so ein Entscheuniger und Social-Media-Asket. Und gleich bist du suspekt, weil du dich der totalen Durchleuchtung verweigerst und ergo dein wahres Ich nicht veröffentlichst. Dabei wissen doch Google und Amazon längst umfassend über dich Bescheid. Wenn jemand Ziegel und Mörtel kauft, ist unschwer zu erraten, dass er ein Haus baut. Wenn Amazon deine Käufe durchsieht, werden Sie wohl ziemlich genau wissen, wie du gepolt bist, wie du wohnst, welche Gesinnung du hast und wie man dich ködern kann. Google verkauft sein Wissen über deine Suchanfragen und dein Surfverhalten, deine E-Mail-Kontakte und Termine an jeden Zahlungsfähigen. Wenn deine Geburtstagsgäste nicht wissen, was sie dir schenken sollen. Google und Amazon wüssten es ziemlich genau. Facebook nicht, denn dort ist die Wahrheit nicht zuhause, sondern nur die Scheinwelt, in er man gerne lebt und die Chance auf Freundschaften, die außerhalb des Displays nicht die geringste Chance hätten. Deshalb ist es schon eine grundlegende Entscheidung wo man wirklich lebt.