Hinterfotzinger Faschingszug
Liebe Zuhörer, herzlich willkommen zu unserer Liveübertragung des Hinterfotzinger Faschingszugs. Am Mikrofon Ihr Fritz Rosenbein. Ich stehe auf dem Dorfplatz von Hinterfotzing umringt von einer närrisch ausgelassenen Menge. Wir alle warten gespannt auf den Faschingszug, der heuer mit elf Wägen alles Bisherige in den Schatten stellen soll. Und da kommt schon er erste Wagen die Dorfstraße herunter, es ist ein bulliger Schneutz mit mindestens 300 PS, den Frontlader hat er weit nach oben gereckt, daran hängt ein Schild mit dem Motto des heurigen Faschingszugs „Deppen nach vorn“. Dieses Motto, meine Damen und Herren, liebe närrischen Zuhörer, möchte ich kurz kommentieren. Der Elferrat von Hinterfotzing startete eine Kampagne gegen die zunehmende Karnevalisierung des bayerischen Faschings. In einem ersten Schritt wurden alle typischen Karnevalsbegriffe aus dem bairischen Wortschatz ersetzt. Und für Narr oder Jecke passt am besten der Depp. Es stellte sich heraus, dass Depp sogar universell passt. Und richtig, soeben dröhnt der Schneutz mit seinem turbogeladenen Achtzylinder und extrabreiter Grünlandbereifung vorbei. In der vollklimatisierten Führerkabine der 16-jährige Sohn des Lohnunternehmers Öxner. Auf der Ladefläche des achtachsigen Tiefladers hat der frühere Elferrat eine Narrenkappe aufgebaut, aber das ist ja jetzt die Deppenkappe, da steht in großen Letten „Die Oberdeppen“. Ausgelassen recken sie Bier- und Schnapsflaschen in die Höhe, während aus der 8000 Watt Musikanlage, die von einem Generator in der gigantischen Frontladerschaufel gespeist wird, die abgewandelte Form des Queen-Hits „We are the Champions“ erschallt „Mia san de Deppn bis brennt“.
Das kommt an, liebe Faschingsfreunde. Sie hören es im Hintergrund, der gesamte Dorfplatz heizt sich auf und versucht gegen die Anlage anzugröhlen, was natürlich nicht gelingt. Da kommt schon der zweite Wagen, er wird gezogen von einem zwölfhunderter Tschompier, ebenfalls vom Lohnunternehmer Öxner. Ein Gigant von einem Traktor, in Millimeterabstand walzen die doppelmannshohen Hinterräder an den Zuschauern vorbei. An der Fronthydraulik hängt eine Plattform, auf dem Schild steht „Die lustigen Öxner“ und so sehen sie auch aus, sie sind in die feuerroten Overalls des Lohnunternehmers Öxner gekleidet und haben einige Kasten Bier auf der Plattform verteilt, die sie in fröhlicher Runde leeren, während die 12000 Watt Anlage mit dem neuen Superhit der Pistenvögler „Mia saufen bis es kracht“ für Stimmung sorgt. Aber das war’s noch nicht, liebe Faschingsfreunde, denn der Schompier zieht einen gigantischen Kipper, auf dem sich „die fetzigen Öxnerluder“ mit Schnaps und Bier präsentieren. Sie haben den Bandnamen der Pistenvögler aufgegriffen und sind als Skihaserl kostümiert. Hoppla, da übergibt sich das erste Skihaserl über die Hydraulikanschlüsse . Und schon dröhnt der nächste Faschingswagen heran. Gezogen von einem 800 PS starken Zenfd. Ein Monstrum von einem Traktor mit Hydrostatantrieb und kraftvollem 12-Zylinder-Diesel. Sie hören es, wie die Menge von diesem Fahrzeug begeistert ist. Kraftvoll schwingt der Frontlader in die Höhe und präsentiert ein Schild mit der Aufschrift GREXIT.
Damit zeigt der Hinterfotzinger Fasching, dass er auch internationale Themen meistern kann. Auf dem doppelachsigen Anhänger mit hydraulischem Neigungsausgleich ist eine griechische Taverne aufgebaut, darin sitzt der Stammtisch „Bis zur letzten Hirnzelle“ und füllt die umgebenden Bierkästen in sich um, während die generatorbetriebene Musikanlage mit dem Udo Jürgens Hit „Griechischer Wein“ in megaheißer Lautstärke die Faschingsstimmung weiter anheizt. Absolut toll, liebe Zuhörer, was die Hinterfotzinger da wieder auf die Beine gestellt haben, das bricht alle Rekorde. Aber nun naht der nächste Wagen, gezogen von einem 1200 PS Steytrack, auf der Kabine prangt stolz das Öxner-Logo. Das Schild an der Fronthydraulik verrät das Thema. Und sie werden es nicht glauben, verehrte Zuhörer, wieder ein internationales Thema. „Wir saufen Putin unten den Tisch“, das hat sich die Feuerwehr Schnöslberg vorgenommen. Es ist kaum zu fassen, meine Damen und Herren, diesen Track steuert Helmut Öxner höchstpersönlich. Er hat es sich nicht nehmen lassen, den Hinterfotzinger Fasching mitzugestalten und seinen gewaltigen Fuhrpark persönlich vorzustellen. Die Menge brüllt vor Begeisterung und skandiert „Öxner, Öxner!“ Auf dem 90-Tonnen-Abschiebewagen steht eine überdimensionale Wodka-Flasche, drumherum sitzen die Schnöslberger Feuerwehrler inmitten vieler Bierkisten. Einer trägt eine Putinmaske, ein anderer eine Maske von Angela Merkel, sie trinken ein Glas Wodka nach dem anderen. Der Einfallsreichtum der Schnöslberger ist immer wieder beeindruckend.
Das Publikum skandiert immer noch mit Öxner-Rufen, worauf Helmut Öxner mehrfach die Pressluftfanfare betätigt, sie haben es sicher gehört. Oh nein, was ist nun passiert? Vor mir hüpft ein hysterisch aufgeregter Zuschauer, er hält eine Hundeleine in der Hand, die unter dem Hinterrad des Steytracks endet. Das Monsterrad dreht sich nur in Zeitlupe. Öxner scheint es nicht zu bemerken, die vier Meter hohen Hinterräder stehen wie ein Sichtschutz zwischen Öxner und dem dramatischen Geschehen. Meine Damen und Herren, das ist unfassbar. Andererseits wird von den organisierenden Oberdeppen immer wieder mit Nachdruck darauf hingewiesen, keine Tiere zum Faschingszug mitzunehmen. Das Rad dreht sich weiter, gleich werden wir mit einem Grauensbild konfrontiert. Meine Güte, was mag von diesem Hund noch da sein? Bleibt überhaupt noch etwas übrig, oder wird er spurlos in den Asphalt gepresst? Gleich erfahren wir die bittere Wahrheit. Der letzte Profilstollen hebt sich langsam vom Asphalt, Zentimeter für Zentimeter, darunter wartet sicher das ungewisse Grauen. Aber nein, der Hund, er bewegt sich, er hüpft heraus und saust wie von Sinnen davon, offensichtlich wurde die Leine von den Profilstollen abgequetscht. Der Hundehalter rennt überglücklich hinterher. Auf dem Wagen stoßen Putin und Merkel mit Nastrovie an und leeren die nächste Runde Wodka.
Meine Damen und Herren, liebe Faschingsfreunde, mir zittern noch die Knie, aber der Zug geht weiter und wir wollen uns wieder dem närrischen Treiben von Hinterfotzing zuwenden. Als nächstes rollt der Wagen der Streitbüchler Wehr die Dorfstraße herab. Vorgespannt ist ein …., das ist ja nicht zu fassen, es muss sich um einen 28 Pirschle handeln. Der Traktor, meine Damen und Herren, ist so klein, dass der Wagen dahinter schon von vorne zu sehen ist. Vermutlich wollen die Streitbüchler damit wieder mal ihren Dorfprotest zum Ausdruck bringen und gegen den Trend anstinken. Nun, das ist ihnen gelungen. Vor lauter Überraschung über den Traktor kann ich ihnen jetzt leider gar nicht sagen, welches Thema der Wagen hatte. Egal, ein Blick die Dorfstraße hinauf sagt mir, dass die Highlights des Hinterfotzinger Faschingszugs schon vorbeifuhren, es kommen nur noch Traktoren der mittleren Leistungsklasse, die eigentlich auf einem zeitgemäßen Fasching nichts mehr zu suchen haben. Auch die Zuschauer werden unruhig und drängen langsam aber sicher in die Gasthäuser. Unsere Sendezeit ist gleich um, ich danke Ihnen, dass Sie mit uns auf dem Hinterfotzinger Fasching waren, der zwar mit dem Steytrack ein absolutes Highlight geboten hat, im hinteren Zugbereich aber nicht mehr besonders glänzte. Noch einen schönen Fasching und schalten Sie uns bald wieder ein! Ich bin Fritz Rosenbein und verabschiede mich von Ihnen mit dem Motto der Hinterfotzinger: Deppen nach vorn!