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Hinterfotzing

Scherhaufen auf weiter Flur

Ich will meine Geschichte ganz anders anfangen, denn das Wort Scher ist selten geworden. Der Maulwurf rückt ihm auf den Pelz. Bei uns hieß und heißt der Maulwurf Scher und das soll bitte auch so bleiben. Genau, wie die Nachwohnerin des Scher nicht die Wühlmaus ist, so sollen sie die Nordlichter nennen und alle anderen, die keinen eigenen Namen dafür haben, unsere Sprache ist so reich, dass sie sogar für dieses unliebsame Tier den Namen "Schermaus" beinhaltet. Wo Scher und Schermaus wohnen, das kann man leicht erkennen. Sie werfen Haufen jedweder größer auf, die natürlich Scherhaufen heißen. Der Laie wird den Unterschied wohl nicht erkennen, ein Scherfachmann sieht schon allein an der Konsistenz des Erdreichs, wer da am Werke war. Während der Maulwurf ein geschütztes Tier ist, merkt man beim Scher keine besonderen Beschränkungen, vielleicht hat sich unsere Gegend auch deshalb einer Umbenennung widersetzt. Interessanterweise ist auch der Verkauf von Scherfallen erlaubt. Aber da muss der Gesetzgeber ja nicht gleich unterstellen, dass damit ein Scher gefangen werden soll. Man kann diese Fallen recht dekorativ an die Wand hängen. Wenn sich im Garten ein Scher einnistet, dann zeigt das nicht nur, dass es ihm dort recht gut gefällt, sondern ist ein Hinweis, dass im Garten der Tisch für den Scher reich gedeckt ist. Der Scher liebt die Abwechslung, aber es muss „Getier“ auf den Tisch, von Vegetarischer Ernährung hält er überhaupt nichts. Käfer, Regenwürmer, Larven und derlei sind seine Haupt- und Leibspeisen und er vertilgt bis zu 50 Gramm am Tag, die ewige Graberei braucht eben Energie. Würde sich der Scher mit einem einzigen Scherhaufen begnügen, dann hätte er wohl weniger Feinde unter den Gärtnern, da er aber ein weitverzweigtes Gangsystem mit vielen Wegen ins Freie, verbunden mit je einem Scherhaufen anlegt, treibt er so manchen Schnittlauchkleinerzeuger zur Weißglut, bis der sich erlaubter Weise eine Scherfalle kauft und mit dieser unerlaubter Weise dem Scher nach dem Leben trachtet, um ihn - sprichwörtlich ausgedrückt - unter die Erde zu bringen.

Scherfalle

Als ich jüngst den Ponzilaus erstieg und von der Doppelstiftungsbank aus den weiten Rundblick auf das Hinterfotzinger Land genoss, damit auch das Tagwerk gedanklich ablegte, was bei einem Gedankenarbeiter ja nicht so leicht ist, wie bei einem Handarbeiter. Der halt sein Werkzeug zur Seite legt und die verdiente Brotzeit macht. Würde der Gedankenarbeiter den Kopf mit allen Gedanken weglegen, ginge das nicht gut aus. Also muss er - und natürlich auch sie - den Kopf mit allen Gedanken, ob fertig oder unfertig, mit in den Feierabend nehmen. Manchmal lässt man die Landschaft einfach auf sich wirken, ohne sie näher zu betrachten. Manchmal ist man ein interessierter Beobachter und manchmal fallen Dinge ins Auge, die meist unbemerkt bleiben. Bei diesem Gipfelausflug fiel mir ein Scherhaufen auf, ein einziger. Der Scher hatte ihn mitten in einer riesengroßen Wiese aufgeworfen, ansonsten war die Wiese völlig scherhaufenlos, fast wie ein Fußballplatz. Was auf den ersten Blick für den Gartenfreund eine erfreuliche Erscheinung ist, macht auf den zweiten Blick traurig. Heute trachten die Landwirte dem Scher nicht mehr mit Fallen nach dem Leben, sie richten nicht mehr auf, wie es im Fachjargon heißt. Das können Sie gar nicht, angesichts der Flächen, die sie mit extrem wenig Personal bewirtschaften. Das müssten für den Scher paradiesische Zustände sein, aber da war nur ein einziger Scherhaufen auf sehr weiter Flur. Das häufige Mähen stört den Scher nicht, das hat er im Garten auch, sogar noch öfter. Also liegt es an der Nahrung, die auf den Wiesen, besser gesagt, deren Unterwelt, und genau gesagt, deren Mangel. Dass die Pflanzenvielfalt deutlich zurückgegangen ist, sieht auch der Laie, da nichts mehr aussamen kann, wächst nur, was gesät wurde und gesät wird, was den meisten Ertrag bringt. Das kann man dem Landwirt auch nicht vorwerfen, das hat der Staat so gewollt und gesetzlich geregelt. Mit der Pflanzenvielfalt verschwand vermutlich auch die Tiervielfalt und wenn man den einsamen Scherhaufen betrachtet, wird wohl auch die Tiermenge so gering sein, dass eine Fläche von vielleicht drei Hektar nur mehr einen einzigen Scher ernähren kann. Ich finde das schade, denn die 50 Gramm Kleingetier, die sich so ein Scher an arbeitsreichen Tagen einverleibt, sind ja nun wirklich keine Unmenge. Und dann überlegte ich, was denn so eine Wiese alles verloren hat, wenn sie der Scher schon fast verschmäht? Welche Symbiosen wurden wegrationalisiert? Werden die Wiesen und Felder gar aus einem Gleichgewicht gebracht, das womöglich gar nicht so schnell wieder hergestellt werden kann? Wissen wir wirklich, was wir tun? Oder genügt uns der maximale Ertrag für eine relativ kurze Zeit und die Zeit danach wird schon Lösungen hervorbringen. Manchmal schäme ich mich für unsere Generation, die dieses Prinzip in vielen Bereichen zur Grundlage des Handelns gemacht hat. Wir haben das „Glück“, tot zu sein, wenn all die Hypotheken eingefordert werden. In Afrika essen sie das Saatgut auf. Sie essen ihre Zukunft, weil sie sonst keine mehr haben. Aber wir haben Zukunft, wir haben so vieles im Überfluss, wir könnten sorgsam mit der Natur umgehen, wir könnten uns das leisten. Trotzdem tun wir es nicht. Als der Staat den Maulwurf unter Schutz stellte, rechnete er nicht damit, dass man diesem fleißigen Tier auch ohne Gift und Fallen den Garaus machen kann.