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Hinterfotzing

Weihpalm

Die erste vertane Chance

Palmsonntag und Osternacht, aber nur Osternacht zur "Normalzeit", doch vor allem am Palmsonntag bei schönem Wetter, da reichen die Kirchenbänke kaum aus. Über den Köpfen leuchten frühlingskündend die Weihpalm, darunter oder dahinter, den Stock fest im Griff, stolzfreudig leuchtende Kinderaugen, auffallend viele Kinderaugen, ein seltener Anblick. Eine Chance, könnte man, möchte man. Aber man will gar nicht. Man zelebriert in einem Gewand, dass zur eigenen Geburtsstunde schon Altkleid war und nur des musealen Werts wegen der Entsorgung entging. Kleider machen Leute, alte Kleider machen alte Leute.

Die zweite vertane Chance

Selbst aus einem alten Radio erklingen moderne Lieder. Das sollte auch bei einem Altkleidermessgewand möglich sein, wo doch so viele Kinder, so viele Jugendliche, so viele seltene Gäste da sind. Aber nein. Nur verstaubte Automatentexte. Leierleier, nach Möglichkeit in der Langfassung. Maximalgedehnte Langeweile. Das Geschehen am Altar koppelt sich ab, kreist um sich selbst, um die eigene gottgeweihte Achse und endet im Kniebeugenexzess, unterbrochen von Tabernakelanbetungsorgien, als könne man Gott darin einsperren. Sie würden es schon tun, wenn sie es könnten. Manchmal wünschte ich, die Tür spränge auf, wie bei einer Schwarzwalduhr und ein Kukuk schnelle heraus.

Die dritte vertane Chance

Während vom Altar aus alles getan wird, um die Situation maximal unpassend zu gestalten, tönt von der Empore das Grauen der Karwoche. Dabei ist doch der Palmsonntag ein Freudentag, der Empfang des Königs der Ewigkeit. Das Rot des Palmsonntags ist nicht das Rot der Schmerzen und des Leides, sondern der Freude. Was hat am Palmsonntag die Passion verloren? Eine Frage, die einmal gestellt gehört. Aber wer stellt denn noch Fragen. Die Kirche ist keine Demokratie, in der man Anträge stellen könnte. Die Kirche ist autokratisch. Die einzige demokratische Freiheit besteht darin, mit den Füßen abzustimmen. Es scheint, dass dies auch der einzig wirksame Weg ist. Welche Institution auf der Welt kann sich so viel Ignoranz und Selbstverliebtheit leisten, ohne zugrunde zu gehen? Keine, auch die Kirche nicht, aber sie will es nicht akzeptieren. Sie diskutiert lieber darüber, ob die Welt auf der wir leben eine dreieckige oder runde Scheibe ist. Das Kircheschiff hat einen guten Kapitän bekommen, aber was kann ein Kapitän ausrichten, wenn die Mannschaft seinen Befehlen nicht folgt und in die entgegengesetzte Richtung rudert und während die Wogen schon über die Bordwand schlagen, lagern sie immer mehr Ballast ein, statt ihn über Bord zu werfen.

Wer solche Mitarbeiter hat, schafft es konkurrenzlos zu Grunde zu gehen. Das zweite Vatikanum hatte einen guten Start, aber es sprang nicht weit genug, um aus der eigenen Löwengrube hinauszugelangen, so rutschte es wieder zurück und die Reformer wurden zerfleischt, zumindest mundtot gemacht. Noch nie in der Menschheitsgeschichte hat es eine Phase solcher Neuerungen und Umwälzungen gegeben und es scheint, dass die Veränderungen ihr Tempo noch mehr steigern. Vielleicht ist die katholische Kirche nicht mehr zu retten, aber sie könnte es wenigstens versuchen. Eins ist sicher: Gott braucht keine Kirche! Die Kirche ist nur für die Menschen wichtig. Ob wir zu Gott, zu Jahwe oder Allah beten, ist nicht von Belang, solange ob wir es in Bewusstsein vor dem großen Heiligen tun, der unsere Existenz wollte, und wir aus unserer existenziellen Verantwortung heraus im Einklang mit der Schöpfung leben. Der Palmsonntag ist  so ein besonderer Tag, an dem wir die neu aufblühende Erde in Form des Weihpalm vor Gott tragen um dieses Wunder zu feiern. Aber feiern sieht definitiv anders aus. Feiern ist Gemeinschaft und Freude, aber gewiss keine selbstbeweihräucherte One-Man-Show in Altkleidern.